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Die Orgel im St. Bonifatiuskloster Hünfeld

Der Orgelbauer
Geschichte der Orgel
Disposition
Die Sanierung 2012/2013

Der Orgelbauer

Der Orgelbauer Friedrich Wilhelm Eduard Clewing wurde am 2. März 1851 in Hamm/Westfalen als Sohn des Schreinermeisters Wilhelm Clewing und dessen Ehefrau Luise, geb. Krämer geboren. Er war katholischer Konfession und wird später als "guter Katholik" bezeichnet. Vermutlich 1882 heiratete er Elisabeth Holthaus. Wohnung und Werkstatt waren zunächst in Münster. Das Ehepaar hatte drei Kinder: Fritz, geboren 1883; Käthe, geboren 1886; August, geboren 1889.

Wo er das Orgelbauerhandwerk erlernt hat, ist nicht geklärt. Jedenfalls gelangte er, wie viele Orgelbauer, über das Schreinerhandwerk zum Orgelbau. Vermutlich auf Betreiben des Fuldaer Orgelbauers Adolph Rieschick kam Clewing im Winter 1889 nach Fulda und übernahm hier Rieschicks und Hahners Betrieb. Bezeichnenderweise hat Clewing nur für katholische Kirchen gearbeitet.

Obwohl er verhältnismäßig gut mit Aufträgen versehen war - für den Zeitraum von 1890 bis 1905 sind 35 Orgelbauten bekannt - wird 1905 berichtet, er sei "am Verhungern". Clewing trat damals an den Orgelbauer Wilhelm Hey in Sondheim/Rhön mit dem Plan einer Zusammenarbeit heran; doch dieses Vorhaben zerschlug sich. In der Stadt Fulda selbst hatte er wegen seiner mechanischen Trakturen nie Aufträge erhalten. So kehrte er im Jahre 1906 nach Westfalen zurück und nahm in Werl Wohnung. Wenige Wochen darauf, am 8. August 1906, starb er, krank und verarmt, im Alter von 55 Jahren.

Fritz Clewing war unter den Fuldaer Orgelbauern des 19. und 20. Jahrhunderts einer der bedeutendsten. Erst seit wenigen Jahren, da man die Leistungen der Romantik und Nachromantik wieder würdigt, werden auch Clewings Orgelbauten mehr und mehr anerkannt. Seine Orgeln - alles Instrumente mit mechanischer Traktur - wurden seinerzeit wegen ihres "veralteten Systems" abgelehnt; man hielt damals die Röhrenpneumatik für das Beste und Fortschrittlichste. Die Ablehnung seiner mechanischen Bauweise durch die "Experten" war wohl auch einer der Gründe, weshalb Clewing Fulda wieder verließ.


Die Geschichte der Orgel:

1903
Erbaut durch den Fuldaer Orgelbauer Fritz Clewing mit zwei Manualen (Hauptwerk, Schwellwerk) und Pedal. Disposition unbekannt. System: Kegelladen mit mechanischer Traktur.
Das Gehäuse, das in der Klosterschreinerei gefertigt wurde, besteht aus einem mittleren Polygonalturm, flankiert von zwei gleichhohen Rechteckfeldern, rechts und links außen jeweils noch drei niedrige Spitzbogenfelder.
Angeblich soll ein Teil der Orgel des Klosters Frauenberg in Fulda, das im Kulturkampf eine Zeit lang aufgehoben war, hierher gekommen sein. Tatsächlich schrieb ein Gutachter, viele Teile seien "gar nicht von Clewing gefertigt, sondern von einer anderen Orgel genommen, dem Kloster geschenkt und in dieser Orgel verwendet worden." In der Chronik des Scholastikats Hünfeld vom 13. März 1903 findet sich ein Eintrag, dass aus der umgebauten Hünfelder Stadtpfarrkirche 11 Register dem Kloster geschenkt wurden. Es wurden aber nicht alle Register eingebaut. Die Orgel ist umgebaut erhalten.

1909
Erweiterung durch die Gebr. Späth, Fulda

1952
Reinigung, Änderung von Windversorgung und Disposition im barocken Sinne durch Alfred Führer, Wilhelmshaven:

1973
Elektrifizierung der Traktur durch Fa. Kreienbrink, Fulda/Osnabrück, neuer Spieltisch, zwei freie Kombinationen, Tutti

1984
Reinigung und Einbau eines Tremulanten für das Schwellwerk durch Fa. Gabriel, Petersberg

1997
Einbau neuer Windkanäle, Schwellkasten saniert, Einbau von zwei neuen Bälgen für die beiden Pedalladen

2001
Reinigung, teilweise Membranenaustausch

2002
Abschließende Reinigung, weiterer Membranenaustausch, Änderung der Schwellwerksmixtur in Mixtur 4fach 2', Neuintonation durch Firma Wolfgang Bosch, Niestetal-Sandershausen

2003
Einbau des Registers Oboe 8' (Rekonstruktion der Oboe der Clewing-Orgel in Hünhan) ins Schwellwerk anstelle von Quinte 1 1/3'

2012-2013
Sanierung und Generalüberholung der Orgel, verbunden mit div. Umbauten (s. Sanierung)
Disposition der Orgel

Hauptwerk I C-f''' Schwellwerk II C-f''' Pedal C-d'
Bourdon 16' Gedackt 16' Prinzipalbass 16'
Prinzipal 8' Viola 8' Subbass 16'
Hohlflöte 8' Lieblich Gedackt 8' Gedackt 16'
Dolce 8' Aeoline 8' Oktavbass 8'
Gambe 8' Vox Coelestis 8' Gedecktbass 8'
Oktave 4' Prinzipal 4' Octavbass 8'
Flöte 4' Gedackt 4' Posaune 16'
Quinte 2 2/3' Spitzflöte 4'
Oktave 2' Offenflöte 2'
Cornett 3fach Sesquialter 2fach
Mixtur 4fach Mixtur 4f. 2'
Trompete 8' Oboe 8'
Tremulant Dulcian 8'
  Tremulant

Glockenspiel
Zimbelstern
Kuckuck

Koppeln: II/I; Sub II/I; Sub II/II; I/P; II/P; Super II/P

6 feste Kombinationen
Crescendo-Walze mit 4 Speicherplätzen A, B, C, D
Elektronische Setzeranlage mit Bussystem und Touchscreen
11 Ebenen á 10.000 Speicherplätzen
Transponiereinrichtung
frei programmierbare Koppeln
Aufnahme- und Wiedergabesystem

Die Sanierung der Clewing-Späth-Orgel 2012-2013
Autor: Ralf Jehmlich - mit freundlicher Genehmigung von Pater Martin Wolf

Seit über 110 Jahren verrichtet die Orgel in der Hünfelder Klosterkirche ihren wertvollen Dienst. 1903 wurde das Instrument durch den Fuldaer Orgelbauer Fritz Clewing mit 2 Manualen, Pedal und mit mechanisch angesteuerten Kegelladen erbaut. In der Folgezeit wurde die Orgel mehrfach klanglich und technisch umgebaut. Die Orgel hatte zuletzt
29 Register, verteilt auf 2 Manuale und Pedal auf elektrisch angesteuerten Kegelwindladen und bestand aus einem vielschichtigen klanglichen und technischen Konglomerat verschiedener Zeitepochen. Zudem war die Klangqualität und Stimmhaltung sowie die Funktionssicherheit des Instrumentes durch Verschleißerscheinungen, alterungsbedingte Materialermüdung und die Verschmutzung durch vorangegangene Sanierungsarbeiten in der Klosterkirche beeinträchtigt.

Das Ziel der jetzt angestrebten Generalsanierung der Orgel war, neben der erforderlichen Reinigung, den gewachsenen Zustand denkmalsgerecht zu erhalten und die Orgel klanglich und technisch bei der Überarbeitung zu einem harmonischen Ganzen zusammenzuführen.

So wurde die Orgel in der Disposition in Teilbereichen zurückgeführt. Im Hauptwerk wurde das zu Nasard 2 2/3‘ gekürzte originale Pfeifenwerk wieder zu einer Gambe 8‘ angelängt. Das Nachthorn 2‘ Register entfiel und es wurde ein hochgebänktes Cornett 3fach nach Mensur und Bauart der Clewing-Orgel in Hünhan rekonstruiert. Die darin enthaltene Quinte 2 2/3‘ wurde als Auszug separat schaltbar eingerichtet; dabei wurde die 2003 ausgebaute Quinte 1 1/3‘ verwendet und entsprechend im Bass um 12 Töne ergänzt.

Im Schwellwerk erhielt die Viola 8‘ in der tiefen Oktave neue offene Zinnpfeifen (dankenswerterweise von Orgelbaumeister Kilian Gottwald eingebracht) und das Register Sesquialter 2fach wurde ohne Repetition umgearbeitet. Die Wände und Jalousietüren des Schwellwerkes wurden akustisch verstärkt und abgedichtet, um die Klangdynamik zu optimieren.

Das klangliche Fundament wurde im Schwellwerk durch den Einbau eines (Holz-)Gedackt 16‘ auf einer separaten Kegellade geschaffen und als Transmission für das Pedal eingerichtet.

Als zusätzliche Klangeffekte wurden ein Glockenspiel und Zimbelstern im Schwellwerk, ein Kuckuck im Spieltisch und ein Tremulant für das Hauptwerk eingebaut. Außerdem wurden über eine elektronische Koppelanlage drei Oktavkoppeln ergänzt, die der Orgel mehr Klangfülle verleihen.

Der elektrische, frei an der Emporenbrüstung stehende Spieltisch wurde komplett neu gebaut und optisch in Anlehnung an den originalen Clewing-Spieltisch in Hünhan konzipiert. Eine moderne Setzeranlage mit Touch-Screen-Bedienfeld ermöglicht den Organisten 10.000 Registerkombinationen zu speichern; diese neuzeitliche Zutat ist dezent in einem Schubkasten im rechten Staffelbrett des Spieltisches untergebracht.

Um zukünftig eine sichere Funktion der Orgel zu gewährleisten, wurden der Gleichrichter, alle Ton- und Registermagnete, die Verkabelung sowie der Winderzeuger erneuert; letzterer wurde für eine stabile Windversorgung entsprechend größer als das Vorgängermodell dimensioniert und in einem schallisolierten Gehäuse untergebracht.

Es erfolgte eine grundlegende Überarbeitung der Windladen; in einige Registerkanzellen wurden Glasfilterscheiben zur Winddruckstabilisierung bei den Diskantpfeifen eingebaut.

Die bisher lautstarken Trakturgeräusche konnten durch die Überarbeitung der Kegelventile, die Einbringung von Dämpfungselementen an den Leitstiften und eine sorgfältige Regulierung der Hubmuttern reduziert werden.
Auch das Pfeifenwerk bedurfte einer intensiven Reinigung und Restaurierung.Die Metallpfeifen wurden ausgerundet, teils nachgelötet und die Stimmvorrichtungen überarbeitet. Bei den Holzpfeifen wurden gerissene Fugen verleimt und festsitzende Spunde neu eingepasst. Die Zungenpfeifen wurden komplett in Einzelteile zerlegt, die Zungenblätter neu abgezogen und die Stimmkrücken leichtgängig eingerichtet.

Doch nicht nur unsere Orgelbauer waren an der Sanierung des Instrumentes beteiligt. Bauseitig wurden der Emporenfußboden und die Kirchen-/Orgelrückwand saniert, sowie der elektrische Anschluss und die Beleuchtung der Orgel erneuert. Die Klosterschreinerei restaurierte das Orgelgehäuse, änderte den zuvor unvorteilhaften Zugang in die Orgel, erneuerte die höhenverstellbare Sitzbank für den Organisten und fertigte eine Stehle für die Notenablage, den Liedanzeiger und Peripheriegeräte – und auch sonst waren hilfsbereite Hände bei Bedarf immer da.


Mit freundlicher Genehmigung von Pater Martin Wolf
Quelle: Webseite des Bonifatiuskloster
(darin teilweise aus: Gottfried Rehm, "Der Orgelbauer Fritz Clewing und sein Werk", erschienen in Acta organo logica, Bd. 13, Seite 219 ff, Merseburger Verlag 1979)
OI-H-45
weiterführende Links

Webseite Bonifatiuskloster Hünfeld