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Die Orgel in St. Bartholomäus in Köln (Urbach)

Heute
Geschichte
Disposition 16. bis frühes 17. Jhdt
Disposition um 1700
Disposition 1879
Disposition 1912
Heute

In ihrer heutigen Gestalt ist die Porz-Urbacher Orgel ein Werk der Firma Leo Verschueren aus dem Jahr 1962 unter Wiederverwendung der alten Prospektfront und 302 alten Pfeifen aus der Vorgängerorgel. Die neue Orgel besaß zunächst mechanische Spieltraktur, aber elektrische Registertraktur. 1993 hat die Firma Romanus Seifert (Kevelaer) die Orgel überarbeitet und auf mechanische Registertraktur umgestellt.

Die Disposition lautet:

I. Hauptwerk C-g''' II. Oberwerk C-g''' Pedal C-f'
Principal 8' (Diskant) (alt) Gedackt 8' (alt) Subbaß 16'
Gedackt 8' (alt) Principal 4' Principalbaß 8'
Oktave 4' (alt) Rohrflöte 4' (alt) Choralbaß 4'
Quintadena 4' Oktave 2' (alt) Schwegel 2'
Waldflöte 2' (alt) Larigot 1 1/3' (alt) Fagott 16'
Rauschpfeife 2fach 2 2/3'+2' (alt) Sesquialter 2fach
Mixtur 3-4fach 1 1/3' Scharf 3-4fach 2/3'
Trompete 8' Dulcian 8'

Koppeln II/I, II/P, I/P
mechanische Spieltraktur
mechanische Registertraktur

Der reich ornamentierte, barocke Prospekt läßt erahnen, daß die Orgel eine lange Vorgeschichte hat.

Geschichte

Der Prospekt wurde 1640 von einem anonymen Meister erstellt und stand ursprünglich in der Kölner Kirche Klein-St. Martin, von der heute nur noch der Turm existiert. Die Prospektform entspricht dem vor ca. 1720 im Rheinland allgemein üblichen Prospektschema: großer runder Mittelturm, niedrigere Spitztürme an den Seiten, dazwischen zwei Flachfelder übereinander, als Bekrönung ein horizontales, Spitztürme und Flachfelder verbindendes Gesims, das vom Mittelturm durchbrochen wird. Dieses Prospektschema ist eng verwandt mit norddeutschen Prospekten der Barockzeit. Es war einst im Rheinland in fast jeder Kirche zu sehen, ist aber heute nur noch in wenigen Exemplaren erhalten.

Vielfach überarbeitete Pfeifen von Veit ten Bendt 1554: Oktave 4', dahinter Gedackt 8' (ehemals Hohlpfeife genannt?) mit nach außen gewendeter, rauer Tuchseite der Pfeifenwand aus hochprozentigem Blei. Diese Verarbeitung ist typisch für gedeckte Stimmen im niederländisch-niederrheinischen Raum im 16. Jahrhundert. Drei offene Pfeifen der Oktave zeigen dieselbe Eigenheit und waren sicher ursprünglich ebenfalls gedeckt. Sie gehörten vermutlich einer Bartpfeife (Quintadena) 12' an. Die beiden dunklen, glatten Oktavpfeifen sind etwas neueren Datums (17. Jahrhundert?)

Noch älter als der Prospekt sind Teile des Pfeifenwerks: Die Pfeife H der Oktave 4' ist signiert "vitus ten bendt orgelmeicker 1554".

Der Kölner Veit ten Bendt war ein bedeutender Orgelbauer mit großem Tätigkeitsbereich. Er scheint Schüler und Nachfolger von Hans Suys in Köln gewesen zu sein, der in den Jahren nach 1500 wesentlichen Anteil hatte an der Ablösung des spätmittelalterlichen Orgeltyps mit Blockwerksladen ohne Register oder allenfalls Doppelladen mit zwei Sperrventilen durch den modernen Orgeltyp mit vielen Registern. Veit ten Bendt baute 1539-41 in der Probsteikirche Kempen/Niederrhein eine repräsentative Orgel, deren Prospekt mit Bildhauerarbeiten von höchster Qualität erhalten ist. 1558 war er in Andernach tätig, 1563-65 erstellte er eine Langschifforgel im Mainzer Dom, die bis 1793 existierte, und 1570 ging er in Aschaffenburg einen Orgelbaukontrakt ein.

Über die Orgel, die Veit ten Bendt in Klein-St. Martin erstellte, gibt nur das erhaltene Pfeifenwerk Auskunft. Bisherige Untersuchungen des Pfeifenwerks lassen eine einmanualige Orgel mit folgender, in Analogie zu überlieferten rheinisch-kölnischen Dispositionen aus dem 16. und frühen 17. Jahrhundert rekonstruierter Disposition vermuten:

Manual (F-a'')

Pedal

Bartpfeife (= Quintadena) 12'

fehlend oder angehängt?

Koppel (= Principal) 6'
Hohlpfeife 6'
Octav 3'
Flöte offen 3'
Mixtur
Zimbel 3f. 1'
(Trompete 6'?)

Mit Ausnahme der Trompete sind von jedem der genannten Registern mindestens einige Pfeifen erhalten.

Auch über die nachfolgenden Umbauten der Orgel gibt nur das Pfeifenwerk Auskunft. Anlaß für die Erneuerung des Prospektes um 1640 scheint die Erweiterung der Orgel um die Töne C-E gewesen zu sein, für die im ursprünglichen Gehäuse wohl kein Platz war. Bei dieser Gelegenheit wurde die Orgel vermutlich auch umdisponiert, z.B. scheint ein Cornett 3f. in die Orgel gekommen zu sein. Später, aber vermutlich noch vor 1689, erhielt die Orgel ein Oberwerk als zweites Manual. Um 1700 scheint die Orgel folgende Disposition gehabt zu haben:

Hauptwerk (C D E-c''') Oberwerk (C D E-c''')

Pedal

Bordun 16' Hohlpfeife 8'

angehängt?

Principal 8' Praestant 4'
Octav 4' Flut 2'
Flöte gedackt 4' Quint 1 1/3'
Mixtur (verkleinert) Mixtur
Sesquialtera 2f. 2 2/3'(?) (Krummhorn 8'?)
Cornett 3f. Diskant
(Trompete 8')

1804 wurde die Orgel nach Porz-Urbach transferiert, vielleicht von Johann Georg Arnold, der sie in den Jahren zuvor pflegte. Dabei wurden zwei Register ausgetauscht. Weitere Änderungen sind in Porz-Urbach durch Wilhelm Meurer 1839 vorgenommen worden. 1879 hatte die Orgel folgende, durch Fr. Sauermann dokumentierte Disposition:

Hauptwerk (C-f''') Oberwerk (C-f''') Pedal
Bordun 16' Hohlflöte 8' angehängt?
Principal 8' Praestant 4'
Hohlpfeife 8' Naßard (2 2/3')
Octav 4' Superoktav 2'
Octav 2' Quint 1 1/3'
Mixtur 3f. Clarinette 4' Baß / 8' Diskant
Cornett 3f. Diskant
Trompete 8'



1880 folgte ein Umbau durch Fr. Sauermann. Unter anderem wurde die Orgel um ein Pedal mit drei eigenen Registern erweitert. 1912 lieferte Ernst Seifert eine neue pneumatische Orgel unter Wiederverwendung des Prospekts und vieler alter Pfeifen:

I. Manual (C-f''') II. Manual (C-f''') Pedal (C-d')
Bordun 16' (z.T. alt) Geigenprincipal 8'

Violon 16'

Principal 8' Flute harmonique 8' Subbass 16' (alt)
Flaut major 8' Dolce 8' (alt) Octavbass 8' (alt)
Gamba 8' (alt) Gedackt 8' (alt) Cello 8'
Fernflöte 8' (alt) Vox coelestis 8'
Octave 4' (alt) Salicet 4' (alt)
Gedacktflöte 4' Flauto 4' (alt)
Rauschquinte 2f. 2 2/3'+2'
Mixtur 3-4f. 1 3/5'+1 1/3'+1'
Trompete 8' (alt)

Diese Orgel wurde 1962 von der heutigen Orgel abgelöst. Das historische Pfeifenmaterial wurde in der heutigen Orgel ziemlich willkürlich zu Registern zusammengestellt; die meisten alten Register bestehen aus Material sehr unterschiedlicher Provenienz.

Trotz der vielen Umbauten und Veränderungen am Pfeifenwerk der Porz-Urbacher Orgel kommt der Orgel aus mindestens vier Gründen historische Bedeutung zu:

- Sie enthält das älteste im Rheinland erhaltene Pfeifenwerk
- Sie enthält die einzigen erhaltenen Pfeifen von Veit ten Bendt
- Sie enthält die wahrscheinlich einzigen noch existierenden Überreste des rheinischen Registers Bartpfeife in der Bauweise der Quintadena
- Ihr Prospekt zählt zu den wenigen erhaltenen rheinischen Prospekten des 17. Jahrhunderts.


Stünde die Orgel nicht im Rheinland, sondern in Norddeutschland oder anderswo, hätte man wahrscheinlich längst die Orgel im Zustand von ca. 1700 rekonstruiert und sie weithin bekannt gemacht als eine der ältesten Orgeln in Deutschland. Im Rheinland ist man bei solchen Sachen etwas träger. Der Versuch, den Kempener Prospekt von Veit ten Bendt wieder mit einem adäquaten Orgelwerk zu füllen, ist vor wenigen Jahren gescheitert - nicht an den Kosten, die ein Spender komplett zu übernehmen bereit war, sondern am Desinteresse der Verantwortlichen in der betreffenden Kirche.

Roland Eberlein


Mit freundlicher Genehmigung und Unterstützung von Roland Eberlein
OI-K-15